Mein dritter Bericht (29.09.2006)

 

Dieser Bericht war ein Brief an unsere Eltern.

Da S.s Internet nicht so zuverlässig funktioniert und sie sich deshalb schon lange nicht mehr gemeldet hat, dachte ich, ich stelle diesen Brief einfach mal in´s Netz, damit ihr auch lesen könnt, was sie so macht.

Sie hat diesen Brief, das möchte ich hier noch schnell erwähnen, auf eine DinA4 seite gepackt, falls ihr ihn ausdrucken werdet

werdet ihr sehen, dass das eine große leistung war, denn ausgedruckt sind das ca. 5 Seiten!

so, nun will ich euch aber nicht länger auf die Folter spannen, hier ist der Bericht: Gruß m.

 

 

 

Hola Mama, Hola Papa!

29.09.06 16.00 Uhr Como estan ustades?

Wie geht es dem Meerschweinchen? Ist es noch fit, damit ich es schlachten kann, wenn ich heimkomme?

Spaß, ich hab bisher noch gar keins gegessen, aber mal schauen wann ich das mache. Ich ...

Mist, jetzt weiß ich nicht mehr, was ich schreiben wollte, weil ich kurz Kinder heimschicken musste. Jetzt muss ich überlegen, was ich bisher nicht gemailt habe. Ich glaube, ihr wisst noch gar nicht richtig, was ich eigentlich hier mache also:

Montags bis Donnerstags kann ich morgens ausschlafen, um 12 Uhr gibt´s dann Mittagessen für die Erwachsenen, um 1/2 1 bzw., wenn wir fertig sind, dürfen die Kinder essen, denen schöpfe ich dann raus.

 

Die Erwachsenen, das sind: Bruno und Lilo, die "Jefes" von hier, Annamaria, die Köchin, die (ich weiß nicht ob ich´s schon geschrieben habe) 18 ist und eine 3 jährige Tochter hat, Mauricio, ein Erwachsener aus Mindo, der hier isst, er ist leicht behindert, seine Hand ist nicht so ganz normal und so, und Eduardo und Santos, die früher mal Salemkinder waren und jetzt hier im Garten und am Haus arbeiten, und ich.

Das Essen ist mächtig lecker und ich esse viel zu viel. Es gibt immer Reis, und Salat und dann noch irgendwas. Im Moment sitze ich in der "Aula" eine Art Vorraum aber ganz frei, ohne Fenster, bloß mit Dach.

Jetzt sind fast alle Kinder weg, das ist Freitags so, aber ich war ja erst bei Mo - Do. Also, nach dem Ausschöpfen vom Essen geh ich dann in die "Aula" bzw. Spielzimmer, wo ich den Kindern, die fertig sind mit essen, Spiele gebe. Bis 14 Uhr können sie spielen, das sind dann ungefähr 35 Kinder. In der Zeit muss ich aufpassen, dass sie die Spiele wieder aufräumen, nur ein Spiel nehmen, nichts klauen, noch nicht auf die Cancha (den Spielplatz) gehen usw. Um zwei kommen dann die Lehrer, inzwischen sind es fünf, als ich kam waren es nur 3. Ein Lehrer für die Internen Kinder, (+ 2 Externe). Im Moment haben wir 9 Interne. Als ich hier ankam waren es noch 10, aber Samstag vor einer Woche wurde ein Mädchen plötzlich abgeholt, weil ihre Familie umzieht. Allerdings werden bald 4 Neue aufgenommen.

Dann gibt´s noch Midalga, sie ist keine richtige Lehrerin, hat aber das Colegio abgeschlossen (also bis zur 13.) sie hat mittlere Kinder und ein paar Kleiner

e, Marya die Kleinere hat, Richard, der auch Kleinere hat, er sieht vom Alter ungefähr so aus wie ich, ist aber 25 und unterrichtet am Colegio (mit 25!) und Henry, er hat die Größeren. Am letzten Dienstag war ich beim "Dia de la Bandera" am Colegio, da waren dann alle Schüler ab der 8. Klasse in Schuluniform und sind marschiert (mit Choreographie!) war reichlich militärisch. Dann wurden die drei Besten Schüler der Größeren geehrt, sie durften die Flagge halten, und die 10. Klässler haben auf die Flagge geschworen, während die 13er sie küssen durften. Dabei gab´s auch noch eine Musikkapelle mit vielen (schrägen) Blockflöten, die man aber nur manchmal gehört hat, wenn die Trommeln gerade nicht gespielt haben, geleitet die Musikkapelle von Henry. Dabei hat die Sonne mächtig geschienen und ich hab jetzt einen richtigen Sonnenbrand. Und ich hab viele Fotos gemacht.

Aber moment, ich war bei den Hausaufgaben. Die machen dann die Kinder, die Hausaufgaben haben, die anderen spielen (oder basteln im Bastelzimmer) weiter. Wenn sie mit Hausis fertig sind können sie dann noch bis 16.00 Uhr spielen. Dann müssen sie nach Hause. Es gibt aber eigentlich immer Kinder, die bis 4 Uhr Hausaufgaben machen oder auch länger. Dann gibt es Früchte für die Internen und zwei, drei andere. Danach bleiben nur noch die Internen und es geht ein bisschen ruhiger zu. Die Jungs sind meistens auf der Cancha, und die anderen malen oder basteln, oder sind auf ihren Zimmern, oder, wie gestern, arbeiten im Garten (freiwillig).

Um 18.oo Uhr gibt es dann Abendessen und danach noch Abendprogramm, je nach Tag. Montags basteln die meisten, Dienstags gibt´s den Film für die Kleinen + Tanzen für die großen Mädels, Mittwochs gibt´s Bingo, Donnerstags den Film für die Großen. Ich muss mich dann jeweils mit denen beschäftigen, die nichts zu tun haben.

Freitags muss ich morgens auch arbeiten (Spielzimmer aufräumen, die Biblioteca (ein Zimmer in dem sie spielen können) aufräumen, Stifte spitzen, Werkstatt aufräumen, Programm planen), dafür geht´s mittags nur bis 4 Uhr, deshalb hab´ ich jetzt Zeit für den Brief.

Seit gestern haben wir auch eine Dusche für die Externen, die zu Hause keine Dusche haben und die wird auch schon rege benutzt. Bei manchen Kindern freut es einen richtig, dass sie endlich mal unter die Dusche können. Es gibt Kinder, wenn die in einen Raum kommen, muss man das Fenster aufmachen. Ein Mädchen zum Beispiel ist fünf und der Fleck in ihrer Hose wird nie ganz trocken, weil sie zum Pinkeln einfach nicht aufs Klo geht.

 

Inzwischen kenne ich auch schon einige Leute in Mindo, bzw. die Leute kennen mich. Am Wochenende wimmelt es hier von Touris, aber unter der Woche gibt es nicht viel, und wenn ich dann auch noch 6 Wochen am Stück hier bin, wissen sie schon ungefähr, dass ich hier her gehöre. Aber es gibt natürlich auch so Leute, die halt mit so "Hola Chica" Sprüchen daherkommen (besonders am WE). Aber ich kenne auch (bzw. vor allem) "normale" Leute.

Vor zwei Wochen war ich Freitagabends weg, mit Dahlia+Javier, das war ganz lustig. Wir waren in fast allen Bars Mindos (es gibt 3!) und da habe ich dann auch viele andere kennengelernt (und ein bisschen Salsa getanzt) das geht hier echt ziemlich schnell.

Einen habe ich dann wieder getroffen, als ich am Mittwoch in Quito war (ach, das ist auch noch so ne Geschichte später). Es gibt nämlich 2 Busse am Tag und man trifft dann halt jeden, der nach Quito fährt.

Alex hat mich dann noch zu dem Ministerium gebracht zu dem ich musste, das war mir ganz recht, weil ich mich da noch nicht wirklich auskannte. Wir haben uns dann an der Busstation vor der Heimfahrt getroffen, da kam Silke mit, seine Freundin, die aus München kommt und Tourismus studiert. Lilo hat mir gerade Bücher gebracht, ich lese mich durch ihre ganzen Bücher durch, 8 hab ich schon, jetzt also die nächsten drei. [Anm. der Red.: letzten Freitag waren es schon 20 Bücher, die sie gelesen hatte]

In Quito war ich wegen des Visums. Ich war am Freitag schon mal dort, kam dann auch glücklich zu der Adresse, war aber eine ganze Schlange Leute da. Ich hab einen Polizisten (Polizei auch so ein Thema später) gefragt und der meinte, ich müsste mich hinten anstellen. Mein Vordermann meinte nach einer Weile ich solle doch noch mal fragen. Ich hab dann einen anderen gefragt, der meinte ich könne gleich reingehen, der nächste drinnen sagte einen Stock hoch, im ersten Stock sagte man mir: im zweiten Stock. Da durfte ich mir dann eine Nummer nehmen und warten und als ich drankam sagte man mir, dass dieses Ministerium umgezogen sei und in der Woche nicht auf hätte.

Dann hab ich eben Geld abgehoben, damit meine Fahrt nicht ganz umsonst war und hab jetzt auch meine Kosten hier bei Salem bezahlt.

Am Mittwoch bin ich dann eben mit Alex zur neuen Adresse gegangen. Da hab ich dann zwei andere Deutsche getroffen, die ich am Freitag auch getroffen hatte. Die haben mir dann zum Glück gesagt, dass ich einen Briefumschlag und eine Mappe brauche, die hab ich dann gekauft. Dann musste ich mich wieder anstellen und kam zu einem Mann, der meine Papiere in die DinA4 Mappe gelegt hat und sie dann in den Briefumschlag gestopft hat. Jetzt hätte ich mich eigentlich noch mal anstellen müssen, um ein Formular für die Bank zu kriegen. Ich durfte es dann aber abschreiben. Musste also zur Bank, 10 $ an dieses Ministerium zahlen, und musste mich wieder anstellen. Ich hab dann einen Zettel gekriegt und sollte meinen Pass am Dienstag abholen. Ich wollte aber am Montag kommen, damit ich die Volontärin, die da ankommt (ja, bisher bin ich noch allein) abholen kann. Das ging schließlich auch, nachdem er´s erst in Mittwoch abändern wollte, aber ich blieb stur bei "lunes". Jetzt muss ich also Montag zum 3. Mal nach Quito. Dabei ist das schon immer anstrengend. So viel Verkehr und so viele Leute und so viel Zeit.

Das nächste Mal muss ich vielleicht noch Schuhe kaufen und ne kleinere Tasche.

 

Zu meinen Bekanntschaften in Mindo gehört außerdem die gesamte örtliche Fußballmannschaft. Die sind halt auch meistens da, wenn ich zu den Kindern auf die Cancha gehe.

 

Inzwischen ist es hier schon 5 nach halb 6, das heißt in einer halben Stunde wird´s dunkel. Mal schauen ob ich mich heute aufraffen kann noch weg zu gehen.

Am Wochenende versuche ich immer möglichst wenig zu essen, weil ich unter der Woche so viel esse. Ich muss mal wieder von 3 Tellern auf 2 Teller runterkommen ;-) (Und ich könnte schon wieder essen!). Am Wochenende ernähre ich mich hauptsächlich von Brötchen, es gibt sie süß (mit Zucker drauf) und salzig. Bruno findet sie schrecklich, mir schmecken sie (noch). Aber ich muss mal noch rausfinden wo es billiges zu Trinken gibt. Vielleicht kann ich aber auch das Wasser hier trinken (also das Trinkwasser in der Küche).

 

Hier wohnen derzeit 9 Kinder, 5 Jungs und 4 Mädchen, nachdem Maricela ja abgeholt wurde. Bei den Jungs kann man eigentlich nicht von Großen und Kleinen sprechen, weil Marcos, der zwölf ist, und damit zu den Großen gehört, nicht so richtig wächst. Er kann manchmal echt frech und durchtrieben sein, kommt aber immer wieder auch her und umarmt mich und fragt, was ich esse dass ich so groß bin.

Marcos wohnt (noch, bis die Neuen kommen) allein. Im zweiten Jungszimmer wohnen Efraim und Alvaro, beide 10. Efraim ist ziemlich schwierig für mich, weil er sich nichts sagen lässt (was bei mehreren vorkommt) aber auch wild ist und wenn ihm was nicht passt meckert er und ist beleidigt.

Alvaro hat zwei Schwestern, die derzeit beide Externe hier sind (wobei eine immer bis abends bleibt). Sie wird aber bald auch als Interne aufgenommen, sie heißt Lady. Mit den Namen hier haben sie´s nicht so, was es da alles gibt: Olger (Olcher) kommt von Holger, oder Talismann. Beim "Dia de la Bandera" gab´s einen der heißt, Robinson Estalin! also Stalin.... (Da fällt mir noch was ein - später). Im dritten Jungszimmer wohnen Cristian und Jose (der mit dem Schlangenbiss, der deshalb ganz schnell ins Krankenhaus musste, ca 1 Stunde von hier), es sind die beiden Kleineren (8 + 9). Mit den Beiden komme ich ganz gut aus. Bei den Mädels gibt es die beiden Großen, Melissa und Mayra und die beiden Kleinen Johanna und Maria. Maria schummelt immer beim spielen, deswegen hab ich schon oft mit ihr geschimpft. Johanna ist ganz lebendig und redet und singt andauernd. Melissa pubertiert grade und ist schrecklich albern. Mayra hat Asthma und hatte vor zwei Wochen einen schweren Asthmaanfall. Neu kommen also Lady, dann Nohemi und Dayana, zwei Schwestern, die jetzt schon Externe sind, Bei den Jungs kommen Darío, der Bruder von Alvaros Mutter. Er ist genauso alt wie Alvaro, auch ein Externer. Dann kommt noch der Bruder der Frau von Marias Bruder... der ist jetzt ungefähr 16, die Frau von Maria´s Bruder 14 oder 15, ihr Kind 1. Die Familien sind sowieso unglaublich. Die Mutter von Maria hat 13 Kinder, Maria hat also 12 Halbgeschwister. Geschwister sind in dieser "Schicht" selten, weil beinah niemand den gleichen Vater hat. Dann haben oft Mütter und Töchter gleichzeitig Kinder, die Mutter halt mit 40, die Tochter mit 13 oder so. Die meisten der Internen (auf jeden Fall die Jungs) werden zu Hause geschlagen. Mayra hat mit 5 oder 6 Halbgeschwistern und Kusinen in einer Hütte gelebt, die Mutter kam 1 oder 2 mal die Woche vorbei, ansonsten hat Mayra gekocht (Reis) und sich um die anderen gekümmert (auch um Jose und Cristian).

 

So und jetzt zu den Später-Geschichten: Die Polizei ist hier eigentlich ein Witz. Isa (die mich in Quito vom Flughafen abgeholt hat) hat mir erzählt, dass die einen entweder blöd anmachen oder Geld wollen. Und man kann sich echt nicht auf sie verlassen. Die suchen sich halt die Leute aus, die sie dann auf dem Kicker haben, aber sonst .. Zu Stalin: Ich wurde noch kein einziges Mal auf Hitler oder Nazis oder den 2. Weltkrieg angesprochen. Lilo meinte, dass die Leute hier davon gar nichts wissen. Die wissen nicht mal, dass es den zweiten Weltkrieg gab. Und Henry, also ein Lehrer, hat mich gefragt, ob ich aus "Alemania“ oder aus dem "otro Alemania" komme. Ich dachte erst er meint die Schweiz, weil Lilo und Bruno ja aus der Schweiz kommen, aber dann fiel mir ein, dass er die DDR meinte. Was die Leute hier wissen (oder vor allem nicht wissen) macht mir klar wie viel ich gelernt habe und wie viel Glück ich hatte, dass ich das alles lernen konnte und dass das keine Selbstverständlichkeit ist. Das ist immer auch schon wieder lustig, wenn die Leute dann stolz mit ihren Englischkenntnissen ankommen und ich erst mal gar nicht bemerke dass das Englisch war. Und dann auch nur mit allergrößter Mühe verstehe was sie sagen wollen. Dieses Bastelzimmer verleitet mich übrigens dazu mal wieder selbst tätig zu werden und so kann ich jetzt den Anfang beim Stricken und mache mich daran noch was zu lernen, außerdem habe ich mal noch ein bisschen gehäkelt. So jetzt ist es 7 vor halb 7 und draußen ist es dunkel und ich werde jetzt dann hochgehen und dann mal was essen.

 

Jetzt ist 19.55 und ich war essen (3 Brötchen) und hab ein bisschen gelesen. Jetzt schreib ich noch die Seite fertig (wenn mir was einfällt) und dann schau ich ob Leute in der Reaggae Bar sind. Die ist ganz nett, ganz schön gemacht mit ganz viel Holz. Wenn da nichts los ist geh ich mal ins "El Nomada". Das gehört einer Freundin von Lilo die ich auch kenne, aber ich weiß nicht, ob da eher ältere sind, mal schauen. So jetzt habe ich mächtig viel von mir geschrieben und jetzt hoff ich natürlich auf einen langen Brief zurück (oder zwei, oder drei). Ich freu mich nämlich über Post, bisher kam allerdings nichts an. Vielleicht nächsten Donnerstag, da kommt die Post immer. Letzte Woche hatten wir einen Stromausfall, kommt anscheinend öfter vor, und manchmal dauert es dann ein paar Tage bis es wieder Strom gibt. Diesmal hat es nur ca. 2 h gedauert. Mit dem Waschen hat alles geklappt, hab am Samstag alles gewaschen + aufgeräumt! Jetzt fällt mir grade nix mehr ein, also me voy (gehe ich)

 

30.09. Samstag 11 menos 20 (Es ist 20 vor 11 pm) Ich war vorhin noch Brötchen kaufen und da habe ich Vilma getroffen, das ist die Frau von Henry. Dann war ich bis vorhin noch bei denen und die Beiden haben mich für morgen zum Essen eingeladen. Sie haben zwei Kinder Sebastian ist 2 1/2 und Emily ist 10 Monate. Heute Abend hat Sebastian die ganze Zeit gespielt er sei ein Löwe und würde Emily fressen. Vilma ist 23, als sie 19 war, haben die beiden geheiratet. Gestern Abend hab ich tatsächlich Leute getroffen, Katrin eine Volontärin in Mindo-Lindo (wo Susanne auch war) und ein paar Studenten. Da war auch einer, der super Französisch konnte weil er als Au Pair in Paris war. Er hat Französisch mit mir gesprochen, aber ich konnte es gar nicht, weil ich die ganze Zeit nur ans spanische denke. So wie ihr merkt hat es hier keinen Platz mehr deshalb mache ich jetzt auch Schluss Viele Grüße an alle und jeden, macht’s gut und schreibt mir Saludos S.